Foto: Evelin Frerk

09. 12.

Mann und Frau als Männchen und Weibchen - Perspektiven der Primatologie

Referat von Volker Sommer im Rahmen der "Öffentlichen Vortragsreihe zur Geschlechterforschung" in Hamburg

Ob Vielweiberei, Vielmännerei, Einehe oder Gruppenehe die „natürliche“ Lebensweise für den Menschen sei - darüber streiten Moralapostel, Politiker und Theologen seit langem. Nicht zuletzt ist diese Frage auch politisch relevant, berührt sie doch das Problem, ob bestimmte Formen des Zusammenlebens von Männern und Frauen biologisch vorstrukturiert sind oder lediglich kulturell geformt.

Die Verhaltensforschung versucht diese Kontroverse durch einen Vergleich mit unseren stammesgeschichtlichen Verwandten zu lösen: den Affen und Menschenaffen. Im Jahre 1967 unternahm der britische Verhaltensbiologe Desmond Morris in seinem Bestseller "The Naked Ape" erstmals den Versuch, speziell das Sexualverhalten des Menschen zu vergleichen mit dem sogenannter "nichtmenschlicher" Primaten. Mittlerweile sind die von Morris vertretenen Auffassungen - die fast vollständig auf Beobachtungen an Affen in Gefangenschaft beruhten - gänzlich überholt, da in den 60er Jahren die Freilandforschung an Primaten in großem Maßtab begann.

Dabei wurde einerseits deutlich, daß Primatenarten verschiedenste Paarungs- und Fortpflanzungssysteme entwickelt haben. Andererseits zeichnet sich ab, dass - ähnlich wie beim Menschen - unter veränderten ökologischen Bedingungen selbst innerhalb einer Spezies eine außerordentliche Flexibilität der sozialen Organisation festzustellen ist. Charakteristika in Körperbau und Verhalten wie Form und Größe der Genitalien oder die Dauer des Koitus spiegeln offenbar Prozesse der "geschlechtlichen Zuchtwahl" wider - und erlauben deshalb frappierende Rückschlüsse auf die biologische Herkunft der "nackten Affen" und der Geschlechterrollen von Mann und Frau.

Volker Sommer ist Professor für Evolutionäre Anthropologie am UCL (University College London). Freilandforschung führte ihn für viele Jahre zu Tempelaffen in Indien, Gibbons im Regenwald Thailands und zu Schimpansen im Bergland Nigerias. Sommer berät die UN als Menschenaffen-Experte und zählt zum wissenschaftlichen Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung. Einer breiteren Öffentlichkeit ist der engagierte Naturschützer durch Fernsehsendungen sowie seine provokanten Bücher zu evolutionsbiologischen Themen bekannt, zuletzt "Schimpansenland" und "Menschenaffen wie wir".

Das Referat findet im Rahmen der "öffentlichen Vortragsreihe zur Geschlechterforschung" (07.11. - 12.12.2013) statt. Referenten aus Biologie, Primatologie, Human-Ethologie, Hormon- und Hirnforschung sowie Psychologie und Rechtsforschung fragen: Warum gibt es Zweigeschlechtlichkeit und welche Konsequenzen hat das?