5. Unseld Lecture: Frans de Waal zu Gast an der Universität Tübingen
Die Universität Tübingen führt mit der Einladung Frans de Waals an das FORUM SCIENTIARUM ihr sehr erfolgreiches Veranstaltungsformat der "Unseld Lectures" fort. In Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag und der Udo Keller Stiftung Forum Humanum lädt das FORUM SCIENTIARUM der Universität jährlich einen Spitzenwissenschaftler zum interdisziplinären Dialog nach Tübingen ein.
Zur Person: Frans de Waal, geboren 1948 in den Niederlanden, ist Charles Howard Candler Professor für Primatologie an der Fakultät für Psychologie der Emory Universität in Atlanta, USA, und Direktor des Living Links Center im Yerkes National Primate Research Center. In seinen Arbeiten widmet de Waal sich dem Sozialverhalten von Affen. Dabei stehen Phänomene wie das Teilen von Nahrung mit Artgenossen, die Gegenseitigkeit sozialen Verhaltens und das Lösen sozialer Konflikte im Mittelpunkt seines Interesses. In jüngerer Zeit beschäftigt er sich besonders mit der Evolution von Moral und Gerechtigkeit beim Menschen. Er geht davon aus, dass Kultur und Moral keine ausschließlich menschlichen Errungenschaften sind, sondern sich – zumindest in Vorformen – auch im Tierreich finden. Dabei stützt er sich auf Arten vergleichende Studien, die Einblicke in die Entwicklung von Kultur und Moral bei Tieren und Menschen geben.
De Waal ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences, der National Academy of Sciences und der Royal Dutch Academy of Scien-ces. Er hat zahlreiche Wissenschaftspreise erhalten. De Waal ist der breiteren Öffentlichkeit durch zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher über das Verhalten von Menschenaffen bekannt geworden. Das Time Magazin wählte ihn 2007 zu einem der hundert einflussreichsten Menschen weltweit, und Discovery zählte ihn 2011 zu den 47 bedeutendsten Köpfen der Wissenschaften aller Zeiten.
Wichtige Publikationen: "Wilde Diplomaten. Versöhnung und Entspannungspolitik bei Affen und Menschen" (1991), "Der gute Affe. Der Ursprung von Recht und Unrecht bei Menschen und anderen Tieren" (2000), "Der Affe und der Sushimeister. Das kulturelle Leben der Tiere" (2005), "Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind" (2006), "Primaten und Philosophen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte" (2008), "Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können" (2011).
Frans de Waal spricht in seiner öffentlichen Unseld Lecture über die „Evolution von Moral“. Ist das natürliche Wesen des Menschen geprägt von Egoismus und moralisches Verhalten eine kulturell erlernte Eigenschaft? Oder ist der Mensch von Natur aus gut, Moral also im Laufe der Evolution entstanden? Welche Konsequenzen hätte das für die Beurteilung moralischen Verhaltens? De Waal vertritt die These, dass moralisches Verhalten auf die Fähigkeit zurückgeht, emotional auf die Situation und Lage anderer zu reagieren. Der evolutionäre Vorteil dieser Fähigkeit besteht darin, die soziale Interaktion und den Gruppenzusammenhalt zu erleichtern: Empathie, Sympathie, Kooperation und reziproker Altruismus sind deshalb evolutionär gesehen wichtige „Bausteine“ der Moral.
Das Thema der Lecture wird zwei Tage später in einem öffentlichen Podiumsgespräch aufgegriffen und interdisziplinär verhandelt, wenn Frans de Waal mit Gerhard Ernst diskutiert. Gerhard Ernst, geboren 1971, ist Professor für Philosophie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Metaethik und Handlungstheorie, der Erkenntnistheorie und der Wissenschaftstheorie. In mehreren Publikationen hat sich Ernst mit der Frage nach der Objektivität von Moral und dem Verhältnis von Naturalismus und Ethik beschäftigt. Er vertritt die These, dass die Moral denselben Platz in einer natürlich verstandenen Welt einnimmt wie die Naturwissenschaften. Das liege daran, dass beide, Moral und Wissenschaften, letztlich normativ und damit auf unsere Vernunft bezogen sind.
Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt haben sich für einen von Frans de Waal gemeinsam mit Gerhard Ernst angebotenen mehrtägigen Kurs für Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden aller Fächer ebenfalls zum Thema „Evolution of Morality“ am FORUM SCIENTIARUM angemeldet. Ausgehend von de Waals Arbeiten diskutieren die Kursteilnehmer interdisziplinäre Implikationen der Theorie einer Evolution von Moral. Im Zentrum stehen dabei philosophische Überlegungen, die für eine kategoriale Unterscheidung zwischen menschlicher Moral und tierischem Hilfeverhalten plädieren und Moral eine normative Kraft zusprechen. Im Kurs werden die verschiedenen Positionen miteinander konfrontiert. Es wird diskutiert, ob eine Grenze zwischen dem eher impulsgesteuerten Hilfeverhalten nicht-menschlicher Primaten und dem moralischen Verhalten des Menschen gezogen werden muss oder aber ob Moral evolutionär erklärbar ist.
Im Rahmen der Unseld Lecture 2011 finden folgende Veranstaltungen statt:
Öffentliche Lecture
12. Juni, 20.15 Uhr Audimax, Neue Aula, Geschwister-Scholl-Platz
Frans de Waal:
"Evolution of Morality"
Öffentliche Disputation
14. Juni, 20.15 Uhr Audimax, Neue Aula, Geschwister-Scholl-Platz Podiumsgespräch zwischen Frans de Waal und Gerhard Ernst zum Thema der Lecture.
12. – 16. Juni Internationaler Meisterkurs zum Thema "Evolution of Morality": 20 Studierende und Doktoranden aus aller Welt diskutieren am FORUM SCIENTIARUM mit Frans de Waal und Gerhard Ernst über interdisziplinäre Implikationen von de Waals Arbeiten zur Evolution von Moral.
Die Unseld Lectures suchen in den drei genannten Formaten den Dialog mit der Gesellschaft; sie fördern die Auseinandersetzung zwischen Forschern verschiedener Disziplinen, und sie verankern das fächerübergreifende Arbeiten in der Lehre. Die Unseld Lectures wollen so einen interdisziplinären Dialograum öffnen, der Forschung und Lehre zum öffentlichen Ereignis macht. Sie werden vom FORUM SCIENTIARUM der Universität Tübingen organisiert. Die edition unseld des Suhrkamp Verlags greift mit ihren Programmen und Aktivitäten die Themen der Unseld Lectures auf. Die Udo Keller Stiftung Forum Humanum hat die Lectures initiiert und fördert sie. Im Jahr 2013 wird der kanadische Philosoph und Politikwissenschaftler Charles Taylor von der McGill University in Montreal, Kanada, Gast der Unseld Lecture sein.
Wo: | Universität, Audimax, Neue Aula Geschwister-Scholl-Platz Tübingen |
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Wann: | Di 12. Jun 2012, 20:15 |
Veranstalter: | Forum Scientiarum der Universität Tübingen http://www.juraforum.de... |